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Das griechische Feuer bedroht Europa
«Die griechischen Zustände könnten ein Menetekel sein für andere EU-Staaten, weil sich zumindest in weiten Teilen Süd- und Osteuropas ähnliche Verhältnisse und Versäumnisse finden.»
Christiane Schlötzer, Griechenland-Korrespondentin.
Macht kaputt, was euch kaputt macht», sang einst die deutsche Rockgruppe Ton Steine Scherben. Bob Dylan lieferte das Vorbild für diesen Song, 1970 war das, und damals war Krieg in Vietnam. Griechische Jugendliche, die jetzt in Athen und Thessaloniki ganze Strassenzüge verwüsteten, hinterliessen im Glasbruch eines Schaufensters die Graffiti-Zeilen: «Die Mode unterjocht das Gewissen» und «Die Spektakel-Gesellschaft soll brennen». Das hört sich an, als hiessen die Gegner der wütenden Jugend Gucci und Prada. Aber in Griechenland gingen nicht nur Konsumtempel und Bankfilialen zu Bruch. Aufgeführt wurde ein europäisches Drama, das demnächst auch auf anderen Bühnen spielen könnte. Denn die griechische Krankheit grassiert auch andernorts, in Hellas ist sie nur nicht mehr zu übersehen.Zu den Ursachen dieses Malaise gehören: ein Staat, der sich nicht an die eigenen Gesetze hält; eine Gesellschaft, die Regelverletzungen aller Art duldet; eine Jugend, die das Vertrauen in einfachste Gewissheiten des täglichen Lebens verloren hat. Mit der Nachlässigkeit gegenüber Recht und Gesetz lässt sich so lange gut leben, wie viele davon profitieren. Warum soll man einen Bauantrag stellen, wenn man sein Haus am Meer auch illegal hochmauern kann? Im Sommer 2007 erlebte Griechenland die schlimmsten Waldbrände seit mehr als hundert Jahren. Die konservative Regierung versagte als Krisenmanagerin total – und doch wurde sie anschliessend wiedergewählt. Eine Mehrheit der Griechen hat sich bislang, wenn auch manchmal mit schlechtem Gewissen, mit den allgemeinen Zuständen arrangiert.
Das ist vorbei. Denn anders als in Frankreich, wo vor allem arbeitslose Zuwanderersöhne in den Vorstädten rebellieren, zogen in Griechenland die Kinder der besseren Familien Arm in Arm mit gewaltgewohnten Chaoten durch die weihnachtlich herausgeputzten Strassen, warfen Pflastersteine und setzten Autos in Brand. Die Jugendlichen haben sich für ihren Wutausbruch die städtischen Zentren ausgesucht, weil sie sich dort auskennen. Schliesslich gehören sie selbst zur Mitte der Gesellschaft, und auf den Luxusmeilen ordern sie an guten Tagen bei Starbucks ihren Latte macchiato.
Unbehelligte Brandstifter
Nun werden die Scherben weggekehrt, und dabei fällt auf, mit wie viel Nachsicht die Randalierer behandelt werden, sowohl von Publizisten als auch von Pädagogen – als könnten die Täter nichts für ihre Taten, und als spüre die Gesellschaft eine eigene Schuld. Dies lässt ahnen, wie tief die Erschütterungen nach dem bislang ungekannten Gewaltausbruch gehen, tiefer jedenfalls als die Trauer um den 15-Jährigen, der vor einer Woche durch eine Polizeikugel bei einem Dumme-Jungen-Streich getötet wurde. Der konservative Premier Kostas Karamanlis wähnt wegen der Krawalle gar die Demokratie in Gefahr. Das ist zwar übertrieben. Wenn es aber eine Bedrohung für die einst in Griechenland erfundene Staatsform gibt, dann ist es die seit langem geübte Toleranz von Politik und Justiz gegenüber dem kleinen und dem ganz grossen Unrecht.
Wieso sucht und findet denn niemand die Waldbrandstifter von 2007? Nicht nur die Zündler, die alljährlich im August mit Gasflaschen unterwegs sind, um Bäume für Bauland abzubrennen, sondern auch die Umweltfrevler, die ihre Autowracks in der Natur abstellen. Telefonabhörskandale, die nie aufgeklärt werden, verzockte Sozialversicherungsgelder, unheilige Kirchenmänner, die mit Grundstücken Monopoly spielen und dann ihre Klöster wie Konzernzentralen ausstatten, Bürokraten, die Geldgeschenke für gewöhnliche Dienstleistungen erwarten, Politiker, die bei Staatsaufträgen mitkassieren – alles geht, und alle wissen es. Wer in dieser Klientel-Demokratie einen öffentlich besoldeten Job sucht, der muss die richtigen Politiker kennen, damit die Türen aufgehen. Wer aber draussen bleibt, verliert den Glauben an einen halbwegs gerechten Staat.
Die griechischen Zustände könnten ein Menetekel sein für andere EU-Staaten, weil sich zumindest in weiten Teilen Süd- und Osteuropas ähnliche Verhältnisse und Versäumnisse finden. Das griechische Feuer kann erst recht übergreifen, wenn die globale Krise immer mehr Verlierer hinterlässt.
Die Pfründen sind verteilt
In keinem Land Europas aber ist die Fallhöhe zwischen Anspruch und Wirklichkeit so gross wie in Griechenland. Die hellenische Antike prägt europäisches Denken bis heute, aber den Weitblick eines Perikles hat das Bildungssystem schon lange verloren. Zwar wird jungen Griechen in den Schulen immer noch erzählt, dass sie einer ganz besonderen Kulturnation angehörten. Doch es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen Selbstbild und alltäglicher Kümmerlichkeit. In den Pisa-Studien landen die Schüler im Land von Pythagoras nicht nur im Rechnen auf einem der hinteren Ränge. Weil die öffentlichen Schulen so schlecht sind, quälen sich alle Schüler nachmittags in privaten Paukstudios in japanischem Stil. Nicht jeder hält das aus, aber jeder will nach oben…………
Dem kann ich nur beipflichten. Mag sein, dass aufgrund der spezifischen griechischen Situation die Griechen früher aufgewacht sind, ich prognostiere hier – ohne kühn zu sein – es wird auch bei uns ein Erwachen geben. Die Generation der Wirtschaftswunderkinder hat ihren Kindern und deren Kindern eine ziemlich Hypothek aufgebürdet – Staatsverschuldung – und gleichzeitig dabei zugesehen wie Globalisten alles zugrunde gerichtet haben. Wer noch heute glaubt die Wirtschaftskrise der USA würde nicht bis zu uns reichen, wer noch heute glaubt, man könne diese dann auf der linken Backe absitzen, wird wohl eines Besseren belehrt werden.
Auch wir werden dann Unruhen bekommen. Leute die ihre Arbeit verloren haben, kleine Mittelständler die der Früchte ihres Unternehmertums beraubt wurden und Leute die um ihre Ersparnisse gebracht wurden, werden nicht mehr stoisch wie die Lämmer alles erdulden.
Es macht mir keinen Spaß das zu schreiben – jedoch wir sind erst am Anfang und nicht am Ende und auch die Tatsache, daß wir in Mitteleuropa -> BRD etwas besser aufgestellt sind, wird nicht viel nützen, wenn um uns herum vieles wegbricht.
Trotzdem wünsche ich allen eine schöne Weihnachtszeit und viel Glück im neuen Jahr!
Viele Grüße
RuthArbeiter und Jugendliche müssen die Bedeutung und die Auswirkungen der Ereignisse verstehen, die Griechenland seit der vergangenen Woche erschüttern. Führende Regierungspolitiker in Europa und den Vereinigten Staaten verfolgen die Entwicklung genau.
Die Unruhen, die Griechenland in Atem halten, entzündeten sich daran, dass der fünfzehnjährige Alexis Grigoropoulos durch eine Polizeikugel starb. Aber das war nur der Funke, der die gewaltige Unzufriedenheit der griechischen Jugend und Studentenschaft zum Ausbruch brachte. Zwar versuchten die Neue Demokratische Partei, die an der Regierung ist, und die offizielle linke Opposition anarchistische Agitatoren verantwortlich zu machen. Das Ausmaß der Proteste, die sich über das ganze Land ausgebreitet haben und selbst brutaler Unterdrückung trotzen, ist jedoch nur aus dem Widerstand der ganzen Gesellschaft zu erklären.
Zahlreiche Berichte haben die Aufmerksamkeit auf die Perspektivlosigkeit gelenkt, mit der die jüngere Generation in Griechenland konfrontiert ist. Selbst die jungen Universitätsabsolventen sind davon nicht verschont. Unter den 15- bis 24-jährigen ist jeder vierte arbeitslos, und das schon, bevor die Weltwirtschaftskrise voll durchschlägt. Hochschulabsolventen, die das Glück haben, einen Arbeitsplatz zu finden, sind meistens gezwungen, zu Mindestlöhnen von gerade mal 600 Euro im Monat zu arbeiten. Viele haben zwei Arbeitsstellen, um über die Runden zu kommen.
Andre Gerolymatos schrieb in der kanadischen Zeitung Globe and Mail : "Das wichtigste Motiv für die Taten solcher Jugendlichen ist das Gefühl von Hoffnungslosigkeit." Er erklärte, unter den 15- bis 20-jährigen betrage die Arbeitslosigkeit "über 22 Prozent". Gerolymatos fuhr fort: "Es ist kein Zufall, dass die meisten der Unruhestifter in diese Altersgruppe fallen. Tatsächlich stehen 25 Prozent der jungen Männer oder Frauen vor einer Zukunft mit Niedriglohnarbeit und Armut."
Die Situation in Griechenland ist schlimm, aber bei weitem nicht die Ausnahme. In ganz Europa entwickelt sich ein ähnliches Bild. Deshalb kommen viele Kommentatoren zum Schluss, Griechenland sei typisch für, "eine wachsende Unzufriedenheit der Jugend in vielen europäischen Ländern" (Wall Street Journal).
Das Journal weist darauf hin, dass man die Jugend in Griechenland auch "als "Generation 600" bezeichnet, in Anspielung auf den Mindestlohn von 600 Euro in Griechenland". Dann listet die Zeitung weitere Bezeichnungen in andern Ländern für das gleiche Phänomen auf, wie die "Generation Praktikum" in Deutschland, weil die Universitätsabsolventen "eine lange Zeit als Praktikanten ohne Lohn oder für ganz wenig Geld arbeiten müssen".
In Spanien nennt man die junge Generation die "mileuristas" – "frei übersetzt sind das jene, die mit tausend Euros im Monat auskommen müssen. … Sie erhalten bei ihrem Eintritt ins Arbeitsleben noch keine Sozialleistungen und genießen keinen Schutz, und wechseln oft von einem befristeten Vertrag zum andern."
In einem etwas ausführlicheren Kommentar vom 9. Dezember über Spanien geht die Nachrichtenagentur Bloomberg darauf ein, dass heute, da der "Boom in die Pleite übergeht", Spaniens "beste Generation" am härtesten betroffen ist. "Etwa 28 Prozent der spanischen Jugend haben keine Arbeit, das ist das Doppelte des europäischen Durchschnitts. 63 Prozent der 15- bis 24-jährigen, die letztes Jahr gearbeitet haben, hatten Zeitarbeitsverträge." So sind die Jugendlichen die ersten, die den Arbeitsplatz verlieren, und sie verlieren ihn in großer Zahl", erklärte Gayle Allard, Vizerektor der Madrider Wirtschaftsschule Instituto de Empresa.
Das durchschnittliche Monatseinkommen von unter 29-Jährigen beträgt gerade einmal 964 Euro. Einem Regierungsbericht zufolge können nur 55 Prozent der jungen Arbeiter ihre Kosten decken.
Am Tag vor dem Tod von Alexis Grigoropoulos brachte das Magazin Forbes einen Bericht, in dem Selcuk Gokoluk warnte: "Steigende Arbeitslosigkeit unter jungen Türken droht zu sozialen Unruhen zu führen." Bulent Pirler, Generalsekretär eines Unternehmerverbands, erklärte: "Die Türkei hat eine junge Bevölkerung. Wenn sie nicht ausgebildet und eingestellt wird, dann ist das eine Zeitbombe."
Gruss Haui
Tja, bei uns nennt man sie halt die Generation Praktikum
Um herauszufinden welche Länder vom Staatsbankrott bedroht sind muß man nur auf die Seite vom CIA und die Leistungsbilanzen ansehen:
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/rankorder/2187rank.htmlDiese Länder stehen alle unmittelbar vor dem Staatsbankrott. Tatsächlich hat Island faktisch Konkurs erklärt und die anderen verhandeln mit dem Internationalen Währungsfond über einen Rettungsplan.
Die Länder an letzter Stelle, Frankreich, Türkei, Griechenland, Italien, Australien, Grossbritannien und Spanien liegen im Koma.
Und am Ende der Liste, die USA, sind ganz klar der Todeskandidat überhaupt, wird nur noch künstlich am Leben erhalten.
Amerika hat ein Defizit von $2 Milliarden PRO TAG, oder $2’404.- pro Einwohner im Jahr.
Wenn man das Minus pro Kopf rechnet, dann ist Spanien mit $3’152.- Weltmeister.
Jetzt dürfte auch klar sein, warum Berlusconi bzgl. EU neuerdings so zickt und warum Sarkosy mehr Geld von Angela Merkel für die EU fordert.
Die Mittelmeer-Länder haben ziemlich große Probleme inkl. der hausgemachten Korruptionsprobleme. Ist doch klar, daß die Jugend hier keine Lust mehr hat dabei mitzuwirken.
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