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Anonym
November 15, 2008 um 10:42 a.m. UhrBeitragsanzahl: 5352In griechischen Gefängnissen sind Tausende Häftlinge in den Hungerstreik getreten. Ihr Protest gegen Überfüllung und für mehr Menschenwürde wird von einem großen Teil der Öffentlichkeit als berechtigt empfunden.
Einer von 1 000 Einwohnern Griechenlands sitzt im Gefängnis. Insgesamt handelt es sich um mehr als 13 000 Insassen, untergebracht in Haftanstalten, die für 7 500 Menschen konzipiert sind. Fast die Hälfte von ihnen ist drogenabhängig, 45 Prozent verfügen nicht über die griechische Staatsbürgerschaft, jeder Dritte ist nicht verurteilt, sondern sitzt bis 18 Monate Untersuchungshaft ab.
Um auf die menschenunwürdigen Zustände in den griechischen Gefängnissen aufmerksam zu machen, sind Anfang November die Gefangenen in 21 von 24 Haftanstalten in den Hungerstreik getreten. Die »Initiative für die Rechte der Gefangenen«, die aus anarchistischen Gruppen, Menschenrechtsorganisationen und der im Parlament vertretenen Allianz der radikalen Linken (Syrisa) besteht, unterstützt die Häftlinge und ihren Protest in der Öffentlichkeit. Ziel sei es, über die Erfüllung der Forderungen hinaus, »die Mauer des Schweigens zu brechen, herauszuschreien, dass die Menschenwürde nicht verhandelbar ist«. Die Gefangenen selbst behaupten, gegen sie werde seit Jahren ein regelrechter »Krieg« geführt. So seien in den vergangenen zehn Jahren mehr als 330 von ihnen ums Leben gekommen, die als »Opfer staatlicher Morde« gesehen werden. In griechischen Gefängnissen hat man die höchste Anzahl von Todesopfern innerhalb der EU.
Der von den Streikenden veröffentlichte Forderungskatalog enthält unter anderem die Abschaffung der Disziplinarstrafen, die Verkürzung der Mindestdauer der Haft bis zur Bewährung und die Begrenzung der Untersuchungshaft auf zwölf Monate. Auch Forderungen nach einer umfassenden Gesundheitsfürsorge und nach respektvoller Behandlung von kranken Häftlingen sowie nach adäquaten sanitären Einrichtungen finden sich auf der Liste.
Gefängnisverwaltungen und das Justizministerium haben bereits auf ihre Weise auf diese Forderungen reagiert. Gezielt wurden so genannte Rädelsführer des Aufstands in andere Anstalten verlegt, anderen Häftlingen wurden der Entzug von Rechten oder Disziplinarstrafen angedroht. Die linksliberale Tageszeitung Eleftherotypía sprach von einem »Klima des Terrors« in griechischen Gefängnissen. Unter dem Druck der Ereignisse kündigte der konservative Justizminister Sotíris Chatzigákis Anfang November die baldige Realisierung einer EU-Reform von 2004 an. Diese sieht Straffreiheit und Therapieplätze für abhängige Drogenkonsumenten und eine härtere Bestrafung von Drogendealern vor. Als einziges EU-Mitglied hat Griechenland das Gesetz, das bis Mai 2006 einzuführen war, noch immer nicht verabschiedet. Am folgenden Tag traf der Minister erstmals mit Vertretern der »Initiative für die Rechte der Gefangenen« zusammen. Chatzigákis bezeichnete die Tausende Untersuchungshäftlinge als »ein kompliziertes und vielschichtiges Problem«, über das ernsthaft diskutiert werden müsse. Derzeit könne die Frage jedoch nicht abschließend behandelt werden. Es ist zurzeit unklar, ob der Protest konkrete Folgen für viele griechische Häftlinge haben wird.
In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Anarchisten für 18 Monate in Untersuchungshaft gesteckt. Dies wird mittlerweile nicht nur von den Betroffenen, sondern auch von einem Teil der griechischen Öffentlichkeit als Methode zur Bestrafung von Staatsfeinden gesehen. In der Eleftherotypía wurde Chatzigákis scharf kritisiert: Die angekündigten Hafterleichterungen »betreffen eine nicht existierende Häftlingsgruppe«, da der Minister die Tausende drogenabhängigen Insassen nur als »Drogendealer« sehe und dementsprechend härter bestrafen wolle.
Erste Demonstrationen zur Unterstützung der Hungerstreikenden fanden in Athen, Volos, Chania und Thessaloniki statt. In Thessaloniki wurde zudem ein Parteibüro der Néa Dimokratía mit Brandsätzen angegriffen. Am Freitag voriger Woche kündigten die Gefangenen eine Verschärfung ihres Kampfs an und traten in einen unbefristeten Hunger- und Durststreik.
Griechenland / Athen. In einem Gefängnis im nordgriechischen Grevena kam gestern ein Häftling ums Leben. Das Justizministerium dementiert Gerüchte, wonach die Todesursache mit einem seit Tagen stattfindenden Hungerstreik in Verbindung gebracht wird, der in vielen Gefängnissen des Landes seit Montag voriger Woche durchgeführt wird. Der verstorbene 32jährige habe sich niemals an einem Hungerstreik beteiligt und auch regelmäßig Nahrung zu sich genommen, heißt es in der Erklärung des Ministeriums. Die Todesursache wird auf übermäßigen Drogenkonsum zurückgeführt. Als Antwort auf den Hungerstreik will Justizminister Sotiris Chatzigakis in der kommenden Woche einen Gesetzentwurf im Parlament einbringen, durch den die Haftbedingungen in den Gefängnissen des Landes verbessert werden sollen. Aus Solidarität mit den Streikenden führten gestern etwa 1.000 Demonstranten im Athener Zentrum eine Kundgebung durch. Dabei wurde u.a. ein Fernsehübertragungswagen des staatlichen Fernsehens NET beschädigt. (Griechenland Zeitung / db)
© Griechenland Zeitung
Quelle: http://www.griechenland.net/news_details.php?siteid=5600
Reformplan für griechische Gefängnisse im Parlament
Griechenland / Athen. Vorschläge zur Verbesserung der Haftbedingungen in griechischen Gefängnissen bringt Justizminister Sotiris Chatzigakis heute im Parlament ein. Mit diesem Schritt sollen Lösungen für 14 der insgesamt 16 Anträge der Haftinsassen gefunden werden. Hintergrund ist ein seit Wochen anhaltender Streik der Gefangenen in griechischen Haftanstalten.
Auf Grund der nun vom Justizminister unterbreiteten Vorschläge rechnet man damit, dass etwa 1.500 Gefangene freigelassen werden, darunter viele Drogensüchtige. In den Genuss eines Hafterlasses sollen außerdem viele Personen kommen, die wegen zivilrechtlicher Vergehen einsitzen. Für eine Entlassung reicht aus, dass sie ein Fünftel der verhängten Strafe abgesessen haben; bei Haftstrafen über zwei Jahren wurde die Entlassung nach einem Drittel der vorgesehenen Zeit ins Auge gefasst. Außerdem ist die Möglichkeit vorgesehen, sich von gewissen Haftstrafen frei zu kaufen. Ausdrücklich nicht in den Genuss dieser Maßnahmen sollen Gefangene kommen, die wegen Drogenhandel, Raubüberfall, Menschenhandel, Vergewaltigung und ähnlicher Straftaten verurteilt wurden.
Solidarisch mit den Haftinsassen erklärte sich abermals der griechische Komponist Mikis Theodorakis. In einer schriftlichen Erklärung stellt er fest: „Das, was hinter den Gittern eines jeden griechischen Gefängnisses vor sich geht, sollte ohne Ausnahme alle Bürger dieses Landes beschämen.“ Es handle sich dabei um „unmenschliche“ und „kulturlose“ Vorgänge. Letztlich, so der weltberühmte Komponist und einstige Widerstandskämpfer, sei in Griechenland „alles eine Vitrine: Parlament, Regierung, Parteien, Fernsehen, Universitäten und Künstler.“
Um den Rechten der Gefangenen Nachdruck zu verleihen, fand gestern Abend vor den Gefängnissen im Athener Stadtteil Korydallos eine Solidaritätskundgebung statt (siehe Foto). Die Haftbedingungen thematisierte am Dienstag auch der Vorsitzende der Linksallianz SYN, Alexis Tsipras, während einer Unterredung mit Staatspräsident Karolos Papoulias. Tsipras, der sich über die Zustände in den Gefängnissen sehr besorgt äußerte, überreichte dem Präsidenten eine Liste mit Unterschriften, die von der Initiative für die Rechte von Gefangenen gesammelt wurden. In Bezug auf das Maßnahmenpaket der Regierung sagte Tsipras: “Reformen sind notwendig und unvermeidbar geworden.“ (Griechenland Zeitung / jh, Foto: ek)© Griechenland Zeitung
Griechische Gefängnisse lassen 6000 Häftlinge frei
Zur Entlastung der überfüllten Gefängnisse in Griechenland will die Regierung in Athen etwa die Hälfte der Häftlinge entlassen.Rund 6000 Insassen von griechischen Gefängnissen sollen in den kommenden Monaten entlassen werden. Dies gab Griechenlands Justizminister, Sotiris Hatzigakis, heute an einer Medienkonferenz bekannt. «Wir entlassen etwa 6000 Menschen. Es ist, als ob wir auf einmal drei Gefängnisse schliessen», sagte der Minister. Der Beschluss muss allerdings noch vom Parlament gebilligt werden.
Vorangegangen waren heftige Proteste der landesweit 12’315 Häftlinge. Tausende waren in den vergangenen drei Wochen zeitweise in den Hungerstreik getreten. Sieben von ihnen nähten sich sogar mit Nadel und Faden den Mund zu. Die griechischen Gefängnisse sind für rund 5500 Häftlinge ausgelegt. Alle Zellen sind seit Jahren restlos überfüllt.
Schwerverbrecher bleiben in Haft
Wie der griechische Justizminister weiter mitteilte, sollen sofort rund 1500 Menschen entlassen werden, die sich in Untersuchungshaft befinden. Die Zeit der U-Haft werde von bislang höchstens 18 auf 12 Monate gesenkt. Dies gelte jedoch nicht für Schwerstverbrechen wie Mord. Stufenweise sollen weitere 4500 Häftlinge entlassen werden, indem die meisten Haftstrafen bis zu fünf Jahren in Geldstrafen verwandelt werden.
(vin/sda)Erstellt: 20.11.2008, 16:55 Uhr
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