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Anonym
Dezember 9, 2008 um 2:01 p.m. UhrBeitragsanzahl: 5352Straßenschlachten von Autonomen erschüttern Griechenland
Proteste nach dem Tod eines 15-Jährigen gehen über Landesgrenzen hinaus – Perspektivlosigkeit der Jungen ein Grund für Gewaltbereitschaft
Athen – Seit drei Tagen hat die Wut Tausender die Herrschaft über Griechenlands Straßen übernommen. "Der Staat, der Mörder" – mit solchen Parolen protestieren Massen vornehmlich junger Leute in Athen und Saloniki, auf Kreta und Rhodos gegen den Tod eines 15-jährigen Schülers am vergangenen Samstagabend in Athen. Am Montagabend entglitt die Situation der Kontrolle der Polizei. 4000 Autonome legten Teile der Innenstadt in Schutt und Asche. Es wurde damit gerechnet, dass Premierminister Kostas Karamanlis den Notstand ausruft.
Zuvor hatten in der Hauptstadt 10 000 Menschen protestiert. Schon zu Beginn der Demonstration war es wieder zu schweren Ausschreitungen im historischen Zentrum von Athen gekommen. Rund 600 Autonome verwüsteten den Eingang und die Lobby zweier Hotels und plünderten mehr als ein Dutzend Geschäfte, darunter auch ein Waffengeschäft. Zudem zündeten sie den etwa 20 Meter hohen Weihnachtsbaum der Stadt Athen an, der daraufhin lichterloh zu brennen begann. Die Polizei ging mit einem massiven Tränengaseinsatz gegen die Randalierer vor. Zwei U-Bahnstationen wurden vorsorglich geschlossen.
Aber nicht nur in der Heimat bekommt die Regierung Karamanlis den Unmut ihrer Landsleute zu spüren: In Berlin und London besetzten Griechen vorübergehend Konsulate und Botschaften. Die Bilder von brennenden Geschäften und zerstörten Autos machen deutlich, wie groß das Aggressionspotenzial der Demonstranten ist.
Eine Zahl macht deutlich, warum der Massenprotest von Jugendlichen getragen wird: Laut Eurostat nimmt Griechenland im EU-Durchschnitt mit 23 Prozent den ersten Platz bei der Arbeitslosigkeit der Jugendlichen unter 25 Jahren ein. "Der Tod des Schülers war nur ein Anlass. Er hat die Zündschnur für die große Explosion gelegt. Dahinter verbirgt sich eine komprimierte Verzweiflung. Viele junge Menschen leben mit der unerträglichen Erfahrung, dass es keine Zukunft gibt", so die Analyse der Psychologieprofessorin Fotini Tsalikoglou von der Pantion-Universität. Jugendgewalt ist ein Phänomen, das in Europa alle Länder kennen, auch Griechenland – "aber es ist das erste Mal, dass sich die Gewalt in solcher Form im ganzen Land entlädt", so der Kriminologe Angelos Tsigris zur WELT.
Der 15-jährige Alexandros Grigoropoulos war durch die Kugel aus der Pistole eines Beamten ums Leben gekommen. Der 37-jährige Polizist und Vater von drei Kindern behauptet, er habe drei Warnschüsse abgefeuert, als er sich von einer Gruppe von 30 Autonomen bedroht fühlte. Einer der Schüsse habe das Opfer als Querschläger getroffen.
Die Jugendlichen hatten die Beamten beschimpft und Bierdosen auf den Dienstwagen geworfen. Augenzeugen aber behaupten das Gegenteil: Der Polizist sei aus dem Auto ausgestiegen und hätte direkt auf den jungen Mann geschossen. Er und sein Kollege seien dann einfach weggegangen, während der Junge tot auf dem Bürgersteig lag.
Gestern sollte das Urteil des Gerichtmediziners veröffentlicht werden. Die Familie des Toten hatte darauf bestanden, dass ein eigener Berater an den Untersuchungen teilnahm. Medien zufolge deutet alles darauf hin, dass die Kugel den 15-jährigen Schüler direkt in den Leib traf. Der Anwalt, der die Verteidigung des Polizisten übernommen hatte, trat bereits am Samstag von seinem Mandat zurück. Sein Nachfolger soll Medien zufolge ebenfalls einen Rückzug erwägen.
Währenddessen greifen die Proteste auch auf die Institutionen Griechenlands über. Schulen und Universitäten bleiben geschlossen, die Universitätsprofessoren haben einen dreitägigen Streik ausgerufen. Am heutigen Dienstag werden sich diese voraussichtlich ausweiten, da die Gewerkschaften zu einem Generalstreik gegen die sich ständig verschlechternden Arbeitsbedingungen aufgerufen haben. Schüler, Studenten, Anarchisten, Arbeitslose und frustrierte Werktätige – alle wollen auf den griechischen Straßen gegen die Regierungspolitik protestieren. Am selben Tag sollen bei der Staatsanwaltschaft die zwei verdächtigten Polizisten zum Tod des jungen Schülers aussagen.
Alle politischen Parteien haben das Vorgehen der Polizisten verurteilt. Innenminister Prokopis Pavlopoulos, ein enger Mitarbeiter von Premier Karamanlis, sowie der Staatssekretär des Innenministeriums, Panagiotis Chinofotis, haben ihren Rücktritt angeboten. Karamanlis lehnte aber ab. Er musste bereits in den vergangenen Monaten nach mehreren Skandalen einigen hochrangigen Parteifreunden in seiner Regierung den Rücktritt verordnen – Pavlopoulos will er nicht auch noch opfern. Zumal der Innenminister die "Politik der eisernen Hand" im Umgang mit Anarchisten und Autonomen abgeschafft hatte, die von dessen Vorgänger Viron Polidoras stammte. Der tragische Tod des Schülers wird Karamanlis nach Beobachtermeinung daher hart treffen.
Erst die Trauer stoppt den Hass
Innehalten inmitten des Chaos: In Athen haben mehrere tausend Menschen an der Trauerfeier für den 15-jährigen Schüler Alexis Grigoropoulos teilgenommen. Im Vorfeld der Beerdigung war es erneut zu Krawallen zwischen jugendlichen Demonstranten und der Polizei gekommen. Ministerpräsident Karamanlis kündigte ein hartes Durchgreifen an – doch seine Tage als Regierungschef sind möglicherweise gezählt.
Mehrere tausend Menschen haben am Dienstag in der Nähe von Athen an der Trauerfeier für den durch eine Polizeikugel getöteten 15-Jährigen Schüler Alexis Grigoropoulos teilgenommen. Auf dem kleinen Friedhof in der Athener Vorstadt Palaio Faliro waren außer engen Verwandten und Freunden des Toten auch Schülervertretungen aus zahlreichen Gymnasien Athens zusammengekommen. Auch Schüler aus Nordgriechenland und aus der Insel Kreta hatten Blumen geschickt, berichtete das Fernsehen. Die Polizei beobachtete von einem Hubschrauber aus und aus diskreter Entfernung die Trauerfeier.
Auf zentralen Plätzen vieler Städte des Landes gedachten zeitgleich zehntausende Schüler des 15-Jährigen, dessen Tod am Samstag eine Welle der Gewalt in ganz Griechenland ausgelöst hatte.
In Athen kam es vorübergehend erneut zu Zusammenstößen zwischen Schülern und der Polizei. Aus einer Demonstration von rund 5000 Schülern lösten sich rund 200 Jugendliche heraus und bewarfen die Polizei mit roter Farbe. Andere warfen Steine und Latten auf die Beamten vor dem Parlamentsgebäude, wie das Fernsehen zeigte. Die Polizei setzte massiv Tränengas ein, um die Randalierer auseinanderzutreiben.
Nach drei Nächten ausufernder Gewalt kündigte die Regierung ein hartes Vorgehen gegen die Beteiligten an. "Niemand hat das Recht, diesen tragischen Vorfall als Alibi für Aktionen der rohen Gewalt zu missbrauchen, für Aktionen gegen unschuldige Menschen, gegen ihr Eigentum, gegen die ganze Gesellschaft und gegen die Demokratie", erklärte Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis. Unruhestifter könnten nicht mit Nachsicht rechnen.
Die Ausschreitungen haben die konservative Regierung, die im Parlament über nur eine Stimme Mehrheit verfügt, massiv unter Druck gesetzt. Der sozialistische Oppositionsführer Georgios Papandreou forderte Neuwahlen. "Die Regierung kann die Krise nicht bewältigen, und sie hat das Vertrauen des griechischen Volkes verloren", erklärte er. Zugleich machte er politische Fehlentscheidungen und Versäumnisse für die Unruhen verantwortlich.
Trauer einer ganzen Generation
Papandreou rief zu friedlichen Protesten anlässlich der Beisetzung des Jugendlichen am Dienstagnachmittag auf. "Auf den Straßen trauert heute eine ganze Generation", sagte der Oppositionsführer. Die Menschen sollten "gegen die Gewalt des Staates demonstrieren, gegen die Gewalt gegen Landsleute"."Bullen! Schweine! Mörder!"
Gruppen von maskierten Jugendlichen zogen am Montagabend durchs Zentrum von Athen und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. In Sprechchören riefen sie: "Bullen! Schweine! Mörder!" Auch der Weihnachtsbaum auf dem Syntagma-Platz ging in Flammen auf.Die Polizei meldete am Montag 89 Verhaftungen. Mehr als 100 weitere Personen wurden zur Vernehmung festgenommen. Mindestens zwölf Polizisten wurden verletzt, die Zahl der verletzten Jugendlichen war vorerst nicht bekannt.
AP/DPAJassu,
es ist sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich, als Außenstehender und zudem noch Ausländer, hier eine allen gerecht werdende Position zu beziehen.Wer einmal in Hamburg (Hafenstraße; Flora) oder Berlin (Walpurgisnacht) Autonomenkrawalle erlebt hat, "versteht die Welt nicht mehr" aufgrund der zu Tage tretenden Agressionen. Das dürfte in Griechenland nicht viel anders sein.
Auf der anderen Seite: Wenn man die weiter vorn in diesem Thread eingestellten Links liest, geht einem vor Wut "das Messer in der Tasche auf". über die Handungsweisen der betroffenen Politiker.
Da erinnert doch einiges an Bananenrepubliken und nicht an EU-Staaten.
Gruß
JürgenRebellion der Ratlosen
Sie kommen aus gut situierten Familien, haben Bildung – aber keine Zukunft. Seit vier Tagen wütet Griechenlands Jugend. Und ein Alter sagt: "Jetzt geht die Hölle los."
Von Gerd Höhler, Athen, und Katja Reimann, BerlinEs sind nur wenige Menschen, die an diesem Dienstagmorgen durch das Athener Zentrum eilen, der Himmel über der Stadt ist strahlend blau, die Stimmung düster, ausgebrannte Autowracks säumen die Straßen, Glassplitter und Steine bedecken das Pflaster, einige Passanten halten sich Taschentücher vor Mund und Nase, das Tränengas hat sich noch nicht verzogen. Später, vorm Parlamentsgebäude, ein Handgemenge, hunderte Jugendliche gegen die Polizei, Steine fliegen. Und wieder Tränengas.
Es geht weiter, den vierten Tag nun, es ist auch der Tag der Beisetzung jenes 15-Jährigen, dessen Tod all das ausgelöst hat, was sich derzeit in Athen und anderen griechischen Städten abspielt.
„Niemand hat das Recht, diesen tragischen Vorfall als Alibi für Aktionen der rohen Gewalt zu missbrauchen“, sagt der Ministerpräsident.
„Auf den Straßen trauert heute eine ganze Generation“, sagt der Oppositionsführer.
Hier und da steigt Qualm aus den vom Feuer der vergangenen Nacht zerstörten Läden. Vom Ruß geschwärztes Löschwasser fließt in Rinnsalen aus den Ruinen. Aufgesprüht auf die Fassade einer ausgebrannten Bankfiliale: „Athen brennt, 2008“. An der Skoufa-Straße im noblen Wohn- und Einkaufsviertel Kolonaki steht eine Frau schluchzend vor ihrem zerstörten Schuhgeschäft. „Alles vorbei, alles vorbei …“ Gebrannt hat es hier nicht, aber die Inneneinrichtung ist verwüstet, Auslage und Regale wurden geplündert. „Ich habe doch erst vor vier Wochen eröffnet“, sagt die Frau unter Tränen.
Zwei Nächte lang hatten Tausende im Athener Stadtzentrum gewütet, vor allem in der Umgebung der Polytechnischen Hochschule und am Omoniaplatz. Dann stürmten sie am Montagabend, bewaffnet mit Schlagwerkzeugen, Steinen und Brandsätzen, das Kolonaki-Viertel, wo auch viele Politiker wohnen. „Sie kamen plötzlich aus allen Seitenstraßen“, sagt einer der Kellner des Restaurants Kolonaki Tops. Überall splitterten die Schaufensterscheiben. Die Gäste, die an diesem warmen Dezemberabend in den Straßencafés saßen, ergriffen die Flucht. „Die Polizei kam erst, als alles vorbei war“, sagt ein Mann, der den Zerstörungszug von seinem Balkon beobachtet hatte.
Man habe am Montag vor einem großen Dilemma gestanden, heißt es in Athener Regierungskreisen: entweder mit einem massiven Polizeieinsatz Todesopfer und damit auch eine weitere Eskalation der Gewalt zu riskieren, oder den Verlust von Eigentum in Kauf zu nehmen. Man habe sich für Letzteres entschieden. Doch mit einem solchen Ausmaß der Gewalt dürfte auch die Regierung nicht gerechnet haben. Die Nacht zum Dienstag brachte die bisher schlimmsten Verwüstungen. Das Stadtzentrum war für mehrere Stunden in der Hand von etwa 4000 vermummten Jugendlichen. Sie griffen mit ihren Eisenstangen und Brandflaschen nicht nur Geschäfte und Bankfilialen an, sondern attackierten erstmals auch Ministerien und verwüsteten die Eingangshallen mehrerer Luxushotels. Die Feuerwehr rückte binnen weniger Stunden zu rund 200 Bränden aus, konnte aber oft erst eingreifen, nachdem die Brandschatzer abgezogen waren.
„Ich habe immer wieder versucht, die Feuerwehr anzurufen“, sagt der Besitzer eines ausgebrannten Schreibwarenladens, „aber niemand hat abgenommen.“ Während er mit einer Holzlatte in den verkohlten Trümmern herumstochert, rumpelt draußen ein als Dampflok drapierter Traktor mit drei Wägelchen vorbei. In ihnen sitzen asiatische Touristen. Sie filmen mit ihren kleinen Videokameras und Handys eifrig die verwüsteten Läden und die rußgeschwärzten Fassaden.
Die Touristen könnten bald ausbleiben. Das deutsche Auswärtige Amt hat bereits eine Reisewarnung für Griechenland herausgegeben. Denn nicht nur in Athen gibt es Unruhen. Piräus, Patras, Larissa, Trikala, Korinth, Chania, Rhodos – die Liste der Städte, in denen jugendliche Randalierer alles zerstören, was ihnen in den Weg kommt, wird täglich länger.
Griechenland sei wie ein Topf kochenden Wassers, sagt Nikos Dimou. „Man wartet nur darauf, dass es übersprudelt und der Deckel abfliegt.“ Der 74-jährige Philosoph und Schriftsteller saß am Montagabend vor seinem Fernseher, fassungslos zwar, doch unerwartet kam das alles nicht für ihn, sagt er. Dimou ist Schriftsteller, einer der prominentesten Gesellschaftskritiker Griechenlands. „Als ich hörte, dass der Junge erschossen wurde, wusste ich, jetzt geht die Hölle los.“
Fortsetzung im nächsten Posting …
Fortsetzung …
Ein Toter, der Deckel flog ab. Ein Tod, Symbol für die Frustration und Perspektivlosigkeit einer ganzen Generation junger Griechen, die sich von ihrer Regierung verraten und um ihre Chancen betrogen fühlen. Die glauben, nie Fuß fassen zu können in der griechischen Gesellschaft, die unübersehbar korrupt ist, wo die Jugendarbeitslosigkeit hoch und Vetternwirtschaft alltäglich ist. Die meisten älteren Griechen haben sichere Posten, die Jüngeren oft nur zeitweise Jobs, schlecht bezahlte, es gibt eine Akademikerbewegung mit dem Namen „Generation 700“ – in Anspielung auf das geringe Gehalt, das sie verdienen. Regiert wird das Land seit Jahrzehnten von wenigen Großfamilien.
Besonders der jüngste Skandal der Regierung Karamanlis ist den Demonstranten wohl noch gut im Gedächtnis, sagt Nikos Dimou. Dabei ging es um die Kirche, um ein Kloster der autonomen Mönchsrepublik Athos auf der Halbinsel Chalkidiki, das zusammen mit Regierungspolitikern in betrügerische Grundstücksgeschäfte verstrickt war. „Die Jungen sehen sehr genau, was alles passiert“, sagt Dimou.
Viele der Rebellen dieser Tage kommen aus gut situierten Familien, sind weder arm noch ungebildet. Vielleicht ist es ja so, dass auch sie die ewige Chancenungleichheit leid sind, sie haben sie an ihren Universitäten womöglich gerade zum ersten Mal erfahren. Wer als Student Prüfungen möglichst reibungslos bestehen will – zum Beispiel Prüfungsaufgaben ein paar Tage vor den anderen erfahren –, sollte Mitglied einer Partei sein. Dass Professoren ihren politisch engagierten Schützlingen helfen, kommt in Griechenland immer wieder vor. „Karriere“, das sagt auch Nikos Dimou, „wird in Griechenland nur mit Parteimitgliedschaft gemacht.“
Und der Staat versagt schon in den Schulen. Was dort gelehrt wird, reicht oft nicht, um wichtige Prüfungen zu bestehen. Die meisten Schüler lernen ihren Stoff daher zusätzlich nachmittags in teuren Privatstunden. Es ist auch diese Vermarktung von Bildung, gegen die sich der Zorn der Demonstranten in ganz Griechenland wendet.
Als Katalysator dient eine kleine Gruppe von Anarchisten im Land, entstanden als studentische Reaktion auf die 1967 errichtete Militärdiktatur. Die Universitäten des Landes sind seitdem quasi Symbole der – meist links gerichteten – politischen Rebellion. Besonders die Polytechnische Hochschule von Athen in Exarchia, dem Teil der Stadt, in dem der 15-jährige Alexandros Grigoropoulos am Samstag von einem Polizisten erschossen wurde. Dort verbarrikadierten sich im November 1973 Studenten, um gegen die Diktatur zu protestieren – bis am 17. November Panzer die Eisentore zum Unigelände aufbrachen. Vermutlich starben 40 Menschen. Eine Folge davon ist ein Gesetz, das es der Polizei bis heute nicht erlaubt, die Universitäten des Landes zu betreten. Es sollte Gedanken- und Redefreiheit der griechischen Studenten symbolisieren – und wird doch heute oft auch von den sogenannten autonomen Linken benutzt, die sich in den Universitäten vor den Polizisten verstecken. Bis ein Universitätsdirektor der Polizei den Eintritt gewährt, muss viel passieren.
Am Nachmittag strömen Tausende Menschen zum Friedhof St. Sofia im Athener Stadtteil Paleo Faliron, zu Alexandros Grigoropoulos’ Beisetzung. Viele Kinder, Jugendliche, die meisten halten rote Rosen in den Händen, manche weinen. „Adio, Gregory“ steht auf den Schleifen vieler Kränze. So hieß Grigoropoulos im Freundeskreis.
Wie es zu dem tödlichen Schuss auf ihn kam, ist immer noch strittig. Notwehr, drei Warnschüsse, Querschläger, das ist die Version des Polizisten. Augenzeugen berichten dagegen lediglich von einem lautstarken Wortgefecht zwischen Jugendlichen und den Beamten, die etwa 15 Meter voneinander entfernt gewesen seien, und einem darauf folgenden gezielten Schuss. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Polizisten und den ihn begleitenden Kollegen wegen Mordes und Beihilfe zum Mord.
Erkenntnisse über den Hergang verspricht man sich vom Ergebnis einer ballistischen Untersuchung: Die Kriminaltechniker sollen feststellen, ob es sich bei dem tödlichen Geschoss um einen Querschläger handelte oder um einen direkten Treffer. Das Ergebnis sollte am Dienstag feststehen, wurde aber zunächst nicht bekannt.
Während die Polizei auf dem Friedhof von Paleo Faliron ihre Sicherheitsvorkehrungen für das Begräbnis trifft, sucht Regierungschef Kostas Karamanlis den gleich neben der Villa Maximos, seiner Regierungszentrale, gelegenen Amtssitz von Staatspräsident Karolos Papoulias auf, um ihn über die Entwicklung zu unterrichten. „In diesen kritischen Stunden müssen alle Politiker die Chaoten isolieren und verurteilen, das ist unsere Pflicht“, sagt Karamanlis nach dem Treffen. Dann kommt er zu Einzelgesprächen mit den Führern der Oppositionsparteien zusammen, wohl um das weitere Vorgehen zu beraten, um Einigkeit zu erzielen.
Doch das wird schwierig werden. Denn zumindest der sozialistische Oppositionschef Giorgos Papandreou macht keinen Hehl daraus, dass er nun eine Möglichkeit wittert, Karamanlis aus dem Amt zu hebeln: „Diese Regierung ist gefährlich geworden für Griechenland und das griechische Volk“, sagt Papandreou, die Krawalle seien die direkte Folge der Regierungspolitik. Papandreou fordert jetzt vorgezogene Wahlen. In den Meinungsumfragen liegen die Sozialisten inzwischen mehr als fünf Prozentpunkte vor den Konservativen.
Kurz bevor die Sonne über Athen untergeht, tragen acht Mitschüler den weißen Sarg mit Alexandros Grigoropoulos’ Leichnam aus der Friedhofskapelle.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 10.12.2008)
Petros Markaris (1937 in Istanbul geboren) lebt als Schriftsteller und Theaterautor in Athen. International bekannt wurde er durch seine gesellschaftskritischen Kriminalromane um den Athener "Kommissar Kostas Charitos".
Heute.de: Warum sind die jungen Griechen so zornig? Was sind die Ursachen für ihre Wut?
Markaris: Es geht eigentlich um eine angehäufte Wut. Die Griechen sind zornig, weil sie seit Jahren politisch eine ausweglose Situation erleben. Sie sind entmutigt und sehr pessimistisch, weil sie keine Besserung ihrer Lebensverhältnisse erwarten. Sie zahlen immer mehr an Steuern und bekommen dafür vom Staat immer weniger. Die meisten leben auf Kredit und sie haben zunehmend größere Schwierigkeiten, ihre Kredite zurückzuzahlen. Unschuldig sind sie trotzdem nicht, da sie jahrelang über ihre Verhältnisse lebten.
Heute.de: Warum sind es gerade die jungen Griechen, die gegen die Verhältnisse protestieren?
Markaris: Die Ausweglosigkeit trifft die jungen Leute am härtesten. Sie sind mit dem Bildungsystem unzufrieden, mit den Schulen und mit den Universitäten. Und nach dem Studium sind ihre Aussichten auf ein ordentliches Berufsleben sehr gering. Wenn sie nicht in die Arbeitslosigkeit gehen, dann müssen sie sich mit Jobs begnügen, die meistens in keiner Beziehung zu ihrem Studium stehen. Sie arbeiten als Taxifahrer, als Barmen, oder nehmen Gelegenheits-Jobs an. Man nennt sie in Griechenland die junge Generation von 700 Euro.
Wenn die meisten auch mit der Gewalt nichts zu tun haben, so tolerieren sie sie, oder sie rechtfertigen sie, weil sie empört und verzweifelt sind. Es gibt junge Leute, die jahrelang nach dem Studium immer noch vom Taschengeld ihrer Eltern leben.
Heute.de: In dem Athener Stadtviertel Exarchia begannen die Krawalle, die sich über ganz Griechenland ausgebreitet haben. Warum dort?
Markaris: Exarchia ist ein Stadtteil im Zentrum, in dem sich die Anarchisten, Autonomen und Chaoten eingenistet haben. Jahrelang gab es in diesem Stadtteil einen modus vivendi zwischen der Polizei und den Anarchisten. Die Polizei hielt sich im Hintergrund und die Anarchisten vermieden es, die Polizei zu provozieren. Bis vor drei Jahren ein neuer Minister für öffentliche Ordnung es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Viertel von den Anarchisten zu säubern.
Die Anarchisten haben darauf reagiert und es gab täglich Zusammenstöße mit der Polizei. So hat sich zwischen der Polizei und den Anarchisten eine Vendetta entwickelt. Was am Samstag geschehen ist, war eigentlich vorauszusehen. Zwei Rambo-Polizisten haben die rote Linie überschritten. Es kam zu Mord an einem fünfzehnjährigen Jungen und zu den Krawallen.
Heute.de: Wieviel trägt die Polizei jetzt zur Eskalation bei? Ist sie ohnmächtig gegenüber den linksextremen Jugendlichen?
Markaris: Die griechische Polizei ist einerseits schlecht trainiert. Andererseits aber ist es auch so, dass die Bürger und vor allem die Politiker seit Jahren alle Schuld der Polizei in die Schuhe schieben. Die Folge davon ist, dass die Moral der Polizei am Boden liegt, und dass sie ihr Selbstbewusstsein verloren hat. In dieser Situation sind Überschreitungen seitens der Polizei keine Ausnahme. Ein großer Teil der Polizisten vermeidet die Eskalation, es gibt aber auch einen kleineren Teil, der seine Ohnmacht durch ein Rambo-Verhalten zu überwinden versucht.
Heute.de: Was kann die Politik tun, um den Konflikt zu entschärfen?
Markaris: Die Antwort ist einfach: Sie tut gar nichts, da sie mitschuldig und auch ohnmächtig ist. Die heutige Regierung überlebt nur mit einer Mehrheitsstimme im Parlament. Aber auch die Oppositionsparteien tragen einen großen Teil der Schuld, weil sie von der Ohnmacht der Regierung profitieren und Stimmen dazugewinnen wollen. Die Regierung wird von der Opposition zu jedem Anlass attackiert und sie unternimmt gar nichts, weil sie Angst hat, die Ein-Stimmen-Mehrheit zu verlieren.
Heute.de: Ihre Romane rund um den Kriminalkommissar "Kostas Charitos" zeigen mit dem Finger auf Korruption, Geldwäscherei in Athen – wie tief steckt Griechenland in der Krise?
Markaris: Die Korruption ist für mich das große Problem. Seit acht Jahren leben die Griechen mit Vorwürfen von Korruption und Skandalen. Nach und nach hat sich in der Bevölkerung die Gewissheit etabliert, dass eine Clique von Politikern, Funktionären und Geschäftsleuten im Kreis der Regierung sich durch Korruption enorm bereichern, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Die Griechen sind mittlerweile davon überzeugt, dass die ganze politische Klasse korrupt ist. Ein Teil von ihnen ist wütend, weil gegen die Korruption nichts unternommen wird. Ein anderer Teil ist wütend, weil sie von der Korruption keinen Anteil bekommt und aus dem Spiel gelassen wird. Dieser Gedanke ist nicht so abwegig, wenn man bedenkt, dass der Traum des Durchschnittsgriechen darin besteht, arm schlafen zu gehen und am nächsten Morgen reich aufzuwachen.Das Interview führte Annette Klotz
Neue Ausschreitungen in Griechenland
In der griechischen Hauptstadt Athen ist es am Donnerstagmorgen den sechsten Tag in Folge zu Zusammenstössen zwischen Jugendlichen und der Polizei gekommen.
Griechenland brennt: Die Polizei und Jugendliche liefern sich seit letztem Samstag Strassenkämpfe.
«Alex, für dich brennen wir Athen nieder»
Im Stadtviertel Exarchia, in dem sich die Polytechnische Universität befindet, warfen mehrere Dutzend junger Menschen Steine auf Ordnungskräfte, wie die Polizei mitteilte. Die Beamten gingen mit Tränengas gegen die Demonstranten vor. Drei Menschen wurden festgenommen.Die Polytechnische Universität sowie 15 weitere Hochschuleinrichtungen und rund hundert Schulen in Athen und Thessaloniki sind nach Angaben der Polizei seit Beginn der Woche von Schülern und Studierenden besetzt.
In Thessaloniki im Norden des Landes kam es zu Plünderungen in den Bildungseinrichtungen, wie Professoren und Lehrer berichteten. Nach griechischem Recht darf die Polizei innerhalb der Schul- und Universitätsgebäude nicht aktiv werden.
Auslöser für die seit Tagen wütenden Unruhen in Griechenland ist der Tod eines 15-Jährigen am Samstagabend durch den Schuss eines Polizisten. Griechenland erlebt seitdem die heftigsten Unruhen seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1974. Am Mittwoch hatte zudem ein landesweiter Generalstreik den Konflikt verschärft.
Sympathiebekundung in Spanien mit Gewalttaten
In Spanien ist es bei Sympathiekundgebungen für die Protestbewegung in Griechenland zu Ausschreitungen gekommen. In Madrid wurden in der Nacht zum Donnerstag neun Randalierer festgenommen, die im Stadtzentrum die Scheiben eines Polizeireviers eingeschlagen hatten.
Mehrere Beamten wurden nach Angaben der Behörden bei dem Angriff auf die Dienststelle verletzt. Die Gewalttäter hatten an einer illegalen Protestkundgebung in Madrid gegen die Erschiessung eines griechischen Schülers in Athen durch einen Polizeibeamten teilgenommen.
In Barcelona kamen etwa 300 junge Leute zu einer nicht angemeldeten Demonstration zusammen. Die Polizei löste die Kundgebung auf, nachdem Teilnehmer Steine gegen Geschäftsstellen von Banken geschleudert hatten. Die Beamten nahmen zwei Gewalttäter fest, darunter eine junge Griechin.
(mbr/sda)
Erstellt: 11.12.2008, 07:19 UhrAnonym
Dezember 11, 2008 um 3:31 p.m. UhrBeitragsanzahl: 5352Angeklagte Polizisten sagen vor Gericht aus
Griechenland / Athen. Die beiden Polizisten, die den 15-jährigen Schüler Alexis Grigoropoulos am Samstag erschossen haben, traten am Mittwoch vor den Untersuchungsrichter, um ihre Aussage über den Vorfall zu Protokoll zu geben. Ihr Erscheinen vor dem Gericht war von Unruhen durch eine Gruppe von Jugendlichen begleitet, die Brandbomben uns sonstige Objekte warfen.
Einem der beiden Polizisten, ein 37-jähriger Familienvater mit drei Kindern, wird Totschlag und unsachgemäßen Waffengebrauch vorgeworfen. Sein 32-jähriger Partner muss sich der Mittäterschaft verantworten. Der Anwalt der beiden stellte fest, dass es sich bei dem Tod des 15jährigen Schülers um „Missverständnisse“ handle. Seiner Ansicht nach werde die Justiz feststellen, welche Straftaten seinen Mandanten zur Last gelegt werden könnten. Das Gericht entschied einstimmig, die beiden Angeklagten in Haft zu nehmen.Griechische Unruhen alarmieren die Regierungen in Europa
Finanz- und Wirtschaftskrise haben genug sozialen Brennstoff angehäuft, dass jederzeit ein Funken gewaltsame Proteste wie in den vergangenen Tagen in griechischen Städten auslösen könnte.
Aus der blanken Wut von autonomen Gruppen wird eine politische Bewegung.
Krawalle in Madrid und Barcelona
Am Donnerstag flogen in Dänemark, Italien und Spanien Steine in Schaufensterscheiben und Banken. In Frankreich zogen Demonstranten vor das griechische Konsulat in Bordeaux und steckten Autos in Brand. An Wänden tauchten Graffiti mit der Ankündigung eines Aufstandes auf.Am Freitag beteiligten sich in Italien Tausende an einem Generalstreik, der allerdings nichts mit dem Tod des griechischen Jugendlichen am vergangenen Samstag zu tun hatte. Und in Athen flogen nach einer zunächst friedlichen Kundgebung wieder Steine und Brandsätze.
So deutet inzwischen einiges darauf hin, dass die Rezession in Europa eine Massenbewegung gegen Sparmassnahmen und andere von Politik und Wirtschaft eingeleitete Gegenmassnahmen auslösen könnte. Das hat es in dieser Form jahrelang nicht mehr gegeben, die Durchschnittsbevölkerung hat die ihr auferlegten Bürden bislang getragen.
Aus blanker Wut wird eine politische Bewegung
Die Organisatoren des friedlichen Teils der griechischen Proteste machten aus der blanken Wut autonomer Gruppen aber schnell eine politische Bewegung, die gegen Sparmassnahmen und Arbeitsplatzabbau antreten soll. «Wir ermutigen nicht gewaltsame Aktionen hier und im Ausland», sagte ein 23-jähriger Demonstrant am Athener Polytechnikum, Konstantinos Sakkas. «Was im Ausland passiert sind spontane Ausdrücke der Solidarität mit dem, was hier passiert.»
Grenzübergreifende Kommunikation über das Internet
Zur Plattform der Diskussion unter den diversen Gruppen ist sehr schnell das Internet geworden: Einschlägige Webseiten und Blogs schlagen Aufrufe und Informationen um. Einige griechische Webseiten haben in Konkurrenz zu den etablierten Medien eine Direktberichterstattung von den Zusammenstössen in Athen und anderen Städten geboten. Demonstrationen werden übers Internet, SMS und Handy organisiert.
In Spanien begrüsst eine Webseite der Globalisierungsgegner, Nodo50.org, Besucher mit radikalen Losungen und der Versicherung der Solidarität mit den Demonstranten in Griechenland. Über die Internet-Community Twitter wurden Details von der Konfrontation mit der Polizei aus der Sicht der Demonstranten europaweit verbreitet, ein «Internationales Medienzentrum» hält Fotos und Videos von den Zusammenstössen bereit und informiert über «bevorstehende Aktionen» in Berlin, Edinburgh und London.
«Die Strasse zurückgewinnen»
Ein Autor auf der Webseite london.indymedia.org rief seine Leser auf, dem griechischen Beispiel zu folgen und «die Strasse zurück zu gewinnen». Weiter hiess es: «Verbrennt die Banken, die euch ausraubten… Das ist eine grossartige Gelegenheit, die Revolution auf ganz Europa auszuweiten.»
Ein Sprecher des französischen Innenministeriums, Gerard Gachet, sagte zu dieser Entwicklung: «Was in Griechenland passiert scheint zu beweisen, dass die extreme Linke existiert – im Gegensatz zu den Zweifeln einiger in den vergangenen Wochen.» Es bestehe die Gefahr, «dass die Gefahr der Ansteckung an der griechischen Situation in Frankreich besteht».
Der Präsident des staatlich finanzierten spanischen Jugendrats, Daniel Lostao, wies darauf hin, dass Jugendliche in Spanien vor schwierigen Herausforderungen – steigende Arbeitslosigkeit, niedrige Einkommen und Problemen beim Auszug aus dem Elternhaus stehen, weil die Mieten so hoch sind. Er denke aber nicht, dass sich die Proteste ausweiten. «Hoffen wir, dass ich nicht falsch liege», fügte er hinzu.
(bru/ap)
Erstellt: 12.12.2008, 16:26 UhrAthen kommt nicht zur Ruhe: Neue Krawalle
In der griechischen Hauptstadt Athen ist es am Samstagabend erneut zu Krawallen gekommen. Kleinere Gruppen von Gewalttätern griffen Polizisten mit Brandsätzen und Steinen an.
Krawallmacher werfen Steine und zielen mit dem Laserpointer auf Polizisten.
Griechische Unruhen alarmieren Europa
Die griechische Jugend kündigt weitere Aufstände an
Im Stadtviertel Exarchia, das als Hochburg der Autonomen gilt, zerstörten Unbekannte die Fassaden von drei Banken und drei Geschäften. Zudem warfen sie mehrere Brandflaschen auf einen Zug von Bereitschaftspolizisten, der vor einem Büro des Umweltministeriums Wache stand.Stunden zuvor waren etwa 2000 Menschen friedlich durch Athen gezogen. Sie gedachten dem vor einer Woche von einem Polizisten getöteten 15-jährigen Schüler und protestierten gegen die Gewalt der Polizei.
Im Stadtteil Kypseli versuchten Polizisten das gestörte Verhältnis zu den Bürgern wiederherzustellen. Sie verteilten auf der Strasse Blumen an die Passanten, wie das Fernsehen zeigte.
Auch in Patras und Thessaloniki gab es am Samstag wieder Demonstrationen. Insgesamt rund 4000 Menschen gingen in den beiden Städten auf die Strasse.
Spekulationen um Untersuchungsbericht
Wegen des Todes des Jugendlichen wird gegen zwei Polizisten ermittelt. Der Polizist, aus dessen Waffe der Schuss stammte, hat erklärt, er habe Warnschüsse abgegeben. Der 37-Jährige sitzt in Untersuchungshaft und ist wegen Mordes angeklagt. Einem ebenfalls inhaftierten Kollegen wird Beihilfe vorgeworfen.
Nach Medienberichten soll die ballistische Untersuchung ergeben haben, dass der Jugendliche von einem Querschläger getötet wurde. Am tödlichen Geschoss seien Rückstände von Aussenverputz gefunden worden, berichtete die Athener Zeitung «Kathimerini».
Die Behörden halten den Bericht weiter unter Verschluss, womöglich aus Angst vor noch heftigeren Krawallen: Sollte die Kugel tatsächlich an einer Mauer abgeprallt und so zum Querschläger geworden sein, ginge es nach griechischem Recht lediglich um fahrlässige Tötung.
(bru/sda)Erstellt: 14.12.2008, 06:17 Uhr
Anonym
Dezember 17, 2008 um 3:43 p.m. UhrBeitragsanzahl: 5352Protestierende unterbrechen live Fernsehübertragung des staatlichen Senders
Griechenland / Athen. Das reguläre Programm des staatlichen Fernsehsenders NET wurde am Dienstag um 15.10 Uhr kurz unterbrochen, weil eine Gruppe unbekannter junger Leute in das Studio eingedrungen war, während dort die Nachmittagsnachrichten gesendet wurden. Die Protestierenden trugen ein Banner mit der Aufschrift „Hört auf fernzusehen, geht raus auf die Straße!“ Der Vorsitzende der staatlichen Rundfunkanstalt ERT Christos Panagopoulos entschuldigte sich für die Unterbrechung und verurteilte die Tat. Er sagte, er übernehme die volle Verantwortung für den Zwischenfall mit allem, was das nach sich ziehe. Die jungen Leute, die Panagopoulos als „Mitzwanziger“ beschrieb, hätten das Gebäude vom Morgen an nach und nach als Besucher betreten, erklärte er. Daraufhin waren sie ins Studio eingedrungen, zwangen die Mitarbeiter des Senders sich zu entfernen, stellten den Ton ab und richteten die Kameras auf sich selbst.
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Kostas Karamanlis
„Es war mein Fehler“Ein Regierungschef und sein Mea Culpa: Der griechische Ministerpräsident will nun mit den Dialog mit der Jugend suchen.
Der griechische Ministerpräsident zeigt Reue. Unter dem Eindruck miserabler Umfragewerte und eines massiven Vertrauensverlustes in der Bevölkerung sprach Kostas Karamanlis am Dienstag von „Fehlern“ und „Versäumnissen“.
Der Premier äußerte auch Verständnis für die Sorgen der Jugendlichen, die seit Tagen mit friedlichen Demonstrationen in Athen und anderen Städten gegen die Missstände im Erziehungswesen und mangelnde Berufschancen protestieren. Seine Regierung werde den Dialog mit der Jugend suchen, vor allem in der Bildungspolitik, versprach der 52-jährige Vater zweier Kinder.
Bei der Sonntagsfrage liegen die oppositionellen Sozialisten seit Monaten mit bis zu fünf Prozentpunkten vor den Konservativen von Karamanlis’ Nea Dimokratia. Man täte dem griechischen Premier aber Unrecht, wenn man seine Selbstkritik nur als Reaktion auf die schlechten Umfragewerte sieht. Vorwerfen kann man dem Athener Regierungschef, der seit März 2004 im Amt ist, aber, erst jetzt Fehler und Versäumnisse zu erkennen, die längst offensichtlich waren.
Hätte Karamanlis die Reform des Bildungswesens, das immer mehr Arbeitslose produziert, gleich zu Beginn seiner Amtszeit in Angriff genommen, hätte er Vetternwirtschaft und Korruption entschlossener bekämpft, wäre es vielleicht nicht zu diesen Unruhen gekommen. Hätte er in den wachstumsstarken Jahren strukturelle Defizite reduziert und Schulden abgebaut statt Zehntausende weitere Staatsdiener einzustellen, hätte er früher die Milliardenverluste maroder Staatsbetriebe eingedämmt, wäre Griechenland heute besser gegen die heraufziehende globale Rezession gefeit.
Hätte, wäre … Es ist das alte Lied: Der konfliktscheue Zauderer Karamanlis agiert zu zögerlich und reagiert zu spät. Jetzt steckt nicht nur seine Regierung in einem Stimmungstief. Das ganze Land gerät in einen gefährlichen Strudel der Krisen und Skandale. Inzwischen sind laut Umfrage sieben von zehn Befragten unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung.
„Ich habe selbst die Skandale der letzten Jahre unterschätzt. Es war mein Fehler“, sagte Karamanlis nun und zeigte auch Verständnis dafür, dass die Bürger „gekränkt“ seien. Doch besonders beeindruckt hat Karamanlis’ Reue-Bekenntnis die Schüler und Studenten des Landes offenbar nicht: Etwa 600 Schulen und Universitätsinstitute in ganz Griechenland sind bereits von Demonstranten besetzt.
Krawalle in Athen flammen wieder auf – Passanten flüchten panikartig
Brandsätze, Steine, Tränengas: Polizei und Jugendliche lieferten sich heute in Griechenland erneut heftigste Strassenkämpfe. Passanten und Besucher von Cafés flohen in Panik. Wieder wurde ein Jugendlicher angeschossen.
7000 Demonstranten versammelten sich auch heute wieder in Athen und lieferten sich Strassenkämpfe mit der Polizei.Neue Krawalle in Athen.
Athen: 16-Jähriger von Kugel getroffen
In Athen versammelten sich am Donnerstag mehr als 7000 Demonstranten, einige warfen Steine und Brandsätze. Die Polizei setzte Tränengas ein. In Thessaloniki liessen sich rund 300 Menschen auch von heftigem Regen nicht von einer Demonstration abhalten. Der Gewerkschaftsverband ADEDY rief zum Streik auf. Fluglotsen legten für drei Stunden die Arbeit nieder, staatliche Krankenhäuser konnten nur mit Notbesetzung arbeiten.Besucher flohen aus Cafés
In der Athener Innenstadt hatten etliche Ladeninhaber aus Angst vor neuen Ausschreitungen ihre Geschäfte verschlossen, die Demonstration verlief aber zunächst friedlich. In der Nähe des Parlamentsgebäudes lösten sich einige Demonstranten aus der Kundgebung und griffen die Sicherheitskräfte an. Passanten und Besucher von Cafés flohen in Panik. Einige Demonstranten versuchten, den erst vor wenigen Tagen ersetzten Weihnachtsbaum in Brand zu setzen, der bei den Unruhen zerstört worden war.
«Die Regierung hat keine Lösung»
Auslöser der teils gewaltsamen Aktionen war der Tod des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos bei einem Polizeieinsatz am 6. Dezember. Angefacht wurden die Proteste ausserdem durch die Unzufriedenheit mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis. «Die Regierung hat keine Lösung für dieses Problem», sagte Petros Constantinou, einer der Organisatoren der Proteste und Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei. «Wir werden weiter demonstrieren, bis unsere Forderungen gehört werden.»
Weiterer Jugendliche durch Schüsse verletzt
Die Regierung rief zur Ruhe auf, nachdem am Mittwochabend ein weiterer Jugendlicher durch Schüsse verletzt wurde. Der Teenager wurde in der Nähe seiner Schule von einer Kugel in die Hand getroffen, sonst war über den Zwischenfall zunächst nichts bekannt. Der Junge sei glücklicherweise nur leicht verletzt worden, erklärte Innenminister Prokopis Pavlopoulos und kündigte Ermittlungen an.
Im benachbarten Mazedonien wurde zu Solidaritätskundgebungen mit den griechischen Demonstranten aufgerufen. An den Aktionen sollten sich alle beteiligen, «die noch immer an die Macht des einfachen Bürgers glauben», hiess es in von den Organisatoren verteilten Flugblättern.
(bru/ap)Erstellt: 18.12.2008, 15:18 Uhr
Anonym
Dezember 20, 2008 um 6:19 p.m. UhrBeitragsanzahl: 5352Ergebnisse der ballistischen Untersuchung entzweien
Griechenland / Athen. Klarheit darüber, ob Alexandros Grigoropoulos, von dem in Haft befindlichen mutmaßlichen Täter, einem Polizisten, kaltblütig erschossen wurde oder ob er an einem Querschläger starb, brachte auch die ballistische Untersuchung nicht; ebensowenig wie jene der Obduktion. Für die Anwälte der Mutter des toten Jugendlichen seien nach den bisherigen Untersuchungen keine klaren Schlüsse zulässig. Sie fordern die schnellstmögliche Nachstellung des Hergangs am Tatort.
Der Anwalt des inhaftierten Polizisten hingegen vertritt die Ansicht, dass die bisherigen Untersuchungen beweisen würden, dass der Jugendliche durch einen Querschläger starb.Neue Proteste und Krawalle in Athen
Im Zentrum Athens ist es in der Nacht zum Sonntag erneut zu schweren Ausschreitungen gekommen. Rund 150 Vermummte bewarfen die Polizei mit Molotow-Cocktails und zündeten Mülltonnen an.
Zudem attackierten Unbekannte zwei Banken, den Parkplatz der Polizeischule der griechischen Hauptstadt und zwei weitere staatliche Gebäude. Verletzt wurde niemand, wie das staatliche Fernsehen (NET) am Morgen berichtete.
Die Ausschreitungen begannen nach einer Mahnwache an dem Ort, an dem vor zwei Wochen der 15 Jahre alte Alexandros Grigoropoulos von einer Polizeikugel getötet wurde. Rund 150 Demonstranten lösten sich aus der Mahnwache und zogen zur Technischen Universität. Von dort aus griffen sie die Polizei an. Die Ausschreitungen dauerten bis zum frühen Morgen.
Zuvor hatten bereits Unbekannte Brandsätze vor zwei Behördengebäuden gezündet. Es entstand erheblicher Sachschaden. Andere attackierten mit Brandflaschen den Parkplatz der Athener Polizeischule. Sieben Polizeiautos brannten aus.
Am Abend hatten sich am zentralen Syntagmaplatz absurde Szenen vor dem künstlichen Weihnachtsbaum der Stadt abgespielt. Demonstranten warfen Müll auf den Baum und skandierten «Das haben eure Weihnachten verdient».
Die Bereitschaftspolizei bildete rund um den rund 18 Meter hohen Weihnachtsbaum einen Schutzgürtel. Schliesslich setzen die Beamten auch Tränengas ein, um die rund 200 Demonstranten auseinanderzutreiben.
Auch in Hamburg hatte es am Samstag am Rande einer Demonstration gegen Polizeiwillkür in Griechenland gewaltsame Zusammenstösse mit der Polizei gegeben. Nach Polizeiangaben wurden mindestens vier Polizisten verletzt und zehn Demonstranten festgenommen.
Griechenland wird seit dem Tod des 15-Jährigen von den heftigsten Unruhen seit Jahrzehnten erschüttert.
(vin/sda/ap)Polizeibus in Athen beschossen
Auf ein Einsatzfahrzeug der Polizei in Athen sind in der Nacht zum Dienstag mehrere Schüsse abgegeben worden. Es wird befürchtet, dass dieser Vorfall die Unruhen weiter anheizt
Verletzt wurde niemand, doch löste der Zwischenfall neue Sorgen aus, dass die jüngsten Unruhen in der griechischen Hauptstadt auch über Weihnachten anhalten könnten. Der Bus wurde nach Behördenangaben angegriffen, als er am Universitätsgelände vorbeifuhr. Die Sicherheitskräfte dürfen laut Gesetz den Campus nicht betreten, solange sie nicht von der Universitätsverwaltung dazu aufgefordert werden.
Regierung und Polizei hatten gehofft, dass die seit gut zwei Wochen andauernden teils gewaltsamen Proteste an den Weihnachtsfeiertagen abebben. Auslöser war der Tod des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos bei einem Polizeieinsatz in Athen am 6. Dezember. Angefacht wurden die Proteste ausserdem von der Unzufriedenheit mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis und der hohen Arbeitslosigkeit. Insgesamt wurden bislang mehr als 300 Menschen festgenommen.
(sam/ap) -
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