Ansicht von 1 Beitrag (von insgesamt 1)

  • Autor

    Beiträge

  • imported_admin

      Beitragsanzahl: 3194

      Zu hause in Griechenland

      …und niemand stört sich dran
      Ein bisschen tricksen und schummeln: Mein Dorf Mesohoria ist ja so griechisch. Eine Liebeserklärung mitten in der Krise.

      Manchmal, wenn Himmel und Meer nicht mehr zu unterscheiden sind und Schnee durch die steilen Gassen wirbelt, blicke ich lange aus dem Fenster. Das Gurren der Tauben, die Rufe der Frauen auf den Feldern, alles verstummt, Schnee legt sich über das Dorf, auf die schiefer- und ziegelgedeckten Häuser und die Ställe, spinnt einen Kokon um Zypressen und die kahlen Äste der Mandelbäume, die Farben erlöschen und nur noch die Zitronen und Orangen leuchten aus dem Weiß. Das Leben steht still, nichts geht mehr. Keine Räumfahrzeuge kommen, nicht der Briefträger, nicht die fahrenden Händler, der Bäcker, der Fischer, der jeden Morgen das Dorf mit plärrender Musik beschallt, und auch die Taxifahrer, die die Kinder in die Schulen bringen, lassen sich nicht blicken. Es sind beschwerliche Tage. Beschwerlich, weil zuerst der Strom ausfällt, dann das Wasser und das Telefon und es so kalt wird, dass die Menschen in dicken Jacken vor dem Kamin sitzen und sich abwechselnd Knie und Rücken wärmen. Der Wind heult über den Dächern und rüttelt an verwitterten Bettrosten, die als Gattertore dienen. Aus Ofenrohren steigt Rauch. Aber nichts daran ist trübselig oder bedrückend.

      Manche im Ort sagen, der Mensch sei nie auf dem Mond gewesen

      Es sind wunderliche, eindringliche Tage, an denen man am Brunnen mit den Frauen Wasser schöpft und alle erdenklichen Geschichten hört, nur kein Jammern und keine Klagen über das mühselige Eimertragen, »Étsi íne« , sagen die Frauen, »so ist es halt.« Es sind Tage, an denen mich Jorgos, 74, der Nachbar, immer wieder zur Tür hereinwinkt und mir Selbstgebrannten einschenkt, als handele es sich um ein Wundermittel gegen die Kälte. Zuvor aber tischt Garifalia, 71, seine Frau, Suppe und Lamm auf, in der Hoffnung, der dünne Deutsche werde endlich zunehmen. Und es sind Abende, an denen hinter den Fenstern das schwache Licht bronzener Petroleumlampen schimmert und in den kafepandopolíos, einer Mischung aus Kaffeehaus und Tante-Emma-Laden, Kerzen brennen. Auf durchgebogenen Holzregalen stapeln sich Waschpulver und Reis, Handsägen und Toilettenpapier. Man sitzt mit den Alten um den bullernden Kanonenofen und nippt am Wein. Alle starren auf den Ofen und auf das mutterlose Lamm, das schnuppernd umherläuft. Diesen Winter starrten die Alten auch auf den Fernseher. Vom Staatsbankrott war die Rede, vom Untergang, von den Deutschen, die die Griechen als Betrüger in der Euro-Familie bezeichnen. »Betrüger sind wir? Pleite sollen wir sein?«, fragten sie fassungslos. Wie konnte es so weit kommen?

      >> weiterlesen

    Ansicht von 1 Beitrag (von insgesamt 1)
    • Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.
    Nach oben