… ich möchte das Thema Friedhöfe auf Kreta noch einmal aufgreifen, nachdem ich heute folgenden, wie ich finde, sehr interessanten Artikel von dem Reisejournalisten Klaus Bötigs gelesen habe …
Zitat:
Kreta im Spätherbst (8) – Wo Menschenknochen fast Müll sind
Von Klaus Bötig | 21. November 2006 | 01:08
Wir gehen auf den Friedhof von Vamos. Und erkennen dort die anderen Parameter der Hellenen. Die Toten sind nicht mehr da! (Foto: Schierlingskraut im Gegenlicht – Schierling, von dem Sokrates trinken musste)
Kreta, Anfang November 2006. Bremen, zwischen Volkstrauertag und Totensonntag. Erinnerung an einen Spaziergang zum Friedhof von Vamos. Die Griechen nennen einen Friedhof "Kimitírio", in etwa zu übersetzen mit "Schlafstätte". Von weitem sieht er pittoresk aus, ist von Ölbäumen eingerahmt. Aus der Nähe sieht man nur Marmor, überirdisch aufgebaut. Die Toten ruhen hier nicht in der Erde, sie werden von Stein gesäumt. Dietrich fragt: "Wie können sie dort verwesen?"
Zwei Tage zuvor waren wir noch im Museum von Rethimno gewesen, hatten minoische Sarkophage gesehen. Auch die Sarkophage waren nicht in der Erde begraben, standen über-irdisch. Und trotzdem haben sie das Fleisch gefressen, denn nichts anderes bedeutet das griechische Wort "Sarkophag". Er ist der "sarko phagos", der Fleischfresser.
Die Gräber in Vamos sind fast schmucklos. Auf manchen stehen ein paar raue Lebensdaten, ein Foto. Manchmal sind ein paar Kunstblumen um Kreuze gewunden, aber sonst kein Zeichen des Besuchs, kein Zeichen der Anteilnahme der Lebenden an der Schlafstätte der Toten.
Kein Mensch auf dem Friedhof außer uns, aber eine offene Tür. Eine offene Tür in einem Schuppen aus Zement, wie man ihn auf nahezu jedem Friedhof Griechenlands findet. Wir gehen hinein. Vier Kisten stehen dort aus Holz, aus Blech, nur eine ansatzmäßig verziert, ein Name steht drauf, ein Foto ist dran. In einem Holzregal darüber liegt ein Totenkopf auf einem Knochenhaufen, ein paar andere Knochen liegen achtlos herum. Die lieben Anverwandten haben sie ausgegraben. Wie in Griechenland üblich sollen sie, bevor das Grab wieder benutzt werden kann, die zuvor dort geruht Habenden ausgraben, ihre Gebeine in Rotwein waschen. Danach werden sie endgelagert – in einem Schuppen wie diesem.
Wieder einmal zeigen sich der Griechen andere Parameter. Des Toten Seele hat ja nicht im Grab geruht – wo genau, wissen sie auch nicht. Schon im Paradies oder in der Hölle? Auf jedem Fall nicht im Fegefeuer, denn das hat der römisch-katholische Papst erfunden. Aber vielleicht sind sie im Hades, dem großen Wartesaal der Toten, den schon die antiken Hellenen kannten?
Eins steht fest: Nur ihr Gerüst lag im Boden. Das Gerüst ist entsorgt. Alles andere wird sich zeigen…