Während des Befreiungskampfes gegen die Türken nie eingenommener Schlupfwinkel und Stützpunkt der Rebellen, erobern in der Hochsaison täglich mehrere tausend Besucher die angeblich größte Schlucht Europas. Knapp 16 km (davon etwa 13 km in der Schlucht) beträgt die zu bewältigende Wegstrecke mit ihrer einzigartigen Flora und Fauna und bietet das einmalige Erlebnis, aus 1250 m Meereshöhe in vier bis sechs Stunden hinunter ans Libysche Meer zu wandern.

Foto Zu erreichen ist der Schluchteingang in der Omalos-Hochebene von fast jedem Ort auf Kreta per organisierter Tagestour. Preiswerter ist jedoch die Anreise auf eigene Faust. Außerdem besteht so die Chance, vor Eintreffen der ersten Touristenbusse in die Schlucht einzusteigen und den Nationalpark so in fast völliger Ruhe am frühen Morgen genießen zu können. Dazu nimmt man am besten den KTEL-Linienbus ab Chania-Busbahnhof um 6:15 Uhr (Abf.-Zeit ohne Gew.).

FotoUngefähr drei Kilometer hinter dem Ort Omalos befindet sich der Einstieg in die Schlucht. Von hier aus geht es, mit Blick auf die gegenüber steil aufragende Wand des Gingilos-Massivs (2080 m), über den Xyloskalo („Holzleiter“), einen steinigen Weg mit Holzgeländern, ca. 700 m über zahllose Serpentinen hinab in die Schlucht. Der Name geht auf die kretischen Freiheitskämpfer zurück, die große Holzleitern benutzten, um aus der Schlucht hinauf zur Omalos-Ebene zu gelangen. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der heutige Weg angelegt. Mehrere Quellen werden bei diesem Abstieg am Wegesrand passiert, bevor schließlich nach etwa 90-minütigem Marsch die kleine Kapelle des Agios Nikolaos erreicht wird.

Foto Der schlichte Bau mit seiner einfachen, hölzernen Altarwand im Inneren, steht im Schatten mächtiger Zypressen. Hier befindet sich auch ein Rastplatz mit Bänken, der zu einer ersten kurzen Pause einlädt. Weiter geht es durch das sich nun aufweitende Tal, wobei der im Talgrund verlaufende und auch im Sommer Wasser führende Bach mehrmals überquert wird. Nach insgesamt etwa zweieinhalb bis drei Stunden erreicht man das verlassene Dorf Samaria.

Foto Erst 1962 wurde das Gebiet der Samaria-Schlucht zum Nationalpark erklärt. Die griechische Regierung kaufte zwei Jahre später alle in Privatbesitz befindlichen Flächen auf, enteignete die wenigen, noch in Samaria lebenden Einwohner (überwiegend Holzfäller und Fischer) und siedelte sie aus der Schlucht nach Agia Roumeli aus. 1980 wurde die Schlucht als hervorragend geschütztes Naturreservat von höchster Bedeutung ausgezeichnet.

Über eine Brücke gelangt man hinüber zu dem auf 380 m Meereshöhe liegenden Haupt-Rastplatz der Schlucht, der mittlerweile renoviert und auch mit sanitären Anlagen ausgestattet ist.

Foto Die Überreste des Dorfes Samaria – weit entfernt vom Auge des Gesetzes lebten die früheren Einwohner hier nach ihren eigenen Regeln. Nicht umsonst wurde die Schlucht in früheren Jahren auch „Tal der Gesetzlosen“ genannt.

Foto Heute geht es hier wesentlich friedlicher zu, stehen doch an diesem zentralen Rastplatz eher die irdischen Bedürfnisse der vielen Wanderer im Mittelpunkt des Geschehens. Und wie bei allen Großveranstaltungen auf der Welt bilden sich auch hier lange Schlangen vor den (Damen-) Toiletten …

Der Weg führt nun vorbei an der weiß gekalkten Christos-Kapelle unter der überhängenden Felswand. Auf der anderen Seite des Tals liegt die Kapelle Ossia Maria, die dem Ort und somit der Schlucht ihren Namen gab. Kurze Zeit später ist die Hälfte des Weges geschafft. Nach etwa drei bis dreieinhalbstündiger Marschdauer, ab der Wasserstelle, beginnt der beeindruckendste Abschnitt der Tour. Die Schlucht wird enger, die Felswände rücken immer näher zusammen.

In engen Kurven schlängelt sich der Weg in Richtung Meer, bis schließlich zwischen den mehrere hundert Meter hohen Wänden die engste Stelle erreicht wird. Schon im 18. Jahrhundert verteidigten 200 kretische Partisanen diese „Portes“ (Pforte) genannten Eingang zur Schlucht gegen das türkische Heer.

Auch beim großen kretischen Aufstand im Jahre 1866 scheiterte die Eroberung der Schlucht unter hohen Verlusten der Angreifer. Erst als im Winter die Vorräte ausgingen und auch im übrigen Kreta der Aufstand niedergeschlagen war, und somit kein Nachschub von außer mehr erfolgen konnte, ergaben sich die Kämpfer in der Schlucht. Letztmalig diente die Schlucht im zweiten Weltkrieg als Fluchtweg für die griechische Regierung um König Georg, der den deutschen Truppen von Agia Roumeli mit einem britischen Kriegsschiff nach Ägypten entkommen konnte.

Foto Obwohl die Wanderung durch die Schlucht mittlerweile von fast jedem Reiseveranstalter – ob per Katalog oder vor Ort im Hotel – pauschal angeboten wird, sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich dabei – sogar für geübte Wanderer – um einen Marsch von mindestens 4 Stunden Dauer (ohne Pausen) handelt, und das bei teilweise extremen Temperaturen.

Foto Umso unverständlicher und geradezu unverantwortlich ist es, dass manche Agenturen und deren Reiseleiter anscheinend nur ihren Profit im Auge haben und bei Notfällen auf die Maultiere der Bergrettung vertrauen. So habe ich mehrfach bei Wanderungen durch die Schlucht Familien mit kleinen Kindern oder ältere Leute mit Herz- und Kreislaufbeschwerden erlebt, die mit ihren Kräften am Ende waren. Und das dann auch noch mit Schuhwerk, welches eher für den sonntäglichen Bummel auf der Hafenpromenade geeignet schien als für solch eine Tour (blutige Füße in Riemchensandalen!). Deshalb hier noch einmal der Hinweis, diese Tour nur mit festem Schuhwerk, besser noch mit richtigen Wander- oder Bergschuhen zu gehen!
Update 11/2004: Wie gefährlich die Wanderung bei schlechtem Wetter werden kann und wie unverantwortlich sich manche Tour-Operator verhalten, zeigen die Bilder unten auf dieser Seite.

Foto Von der gerade einmal drei Meter breiten „Pforte“ ist es nicht mehr weit bis zum offiziellen Ausgang der Schlucht, wo an einem Kassenhäuschen die Tickets wieder eingesammelt werden. Das geschieht, um so zu prüfen ob alle Wanderer die Schlucht auch wieder verlassen haben. Anschließend führt der Weg durch die alte Siedlung Palea Agia Roumeli, die 1952 nach schweren Zerstörungen durch ein Hochwasser aufgegeben wurde.

Foto Knapp eine Stunde nach Passieren der engsten Stelle der Schlucht erscheinen die ersten Häuser von Agia Roumeli im Blickfeld der Zielgruppe, von denen der ganze Ort lebt. Mit Transparenten über der „Zielgeraden“ werben Supermärkte und Tavernen, wollen alle für gutes Geld vor allem kühle Getränke an die nach den überstandenen Strapazen durstigen Schluchtenbezwinger bringen. Agia Roumeli wird seinem Ruf als Touristenschleuse gerecht …

Foto Umso erfreulicher dann der Anblick des Strandes in Erwartung eines erfrischendes Bades. Ist man früh am Morgen in die Schlucht gestiegen, hat man nun einen Logenplatz sicher: Hunderte erschöpfter Wanderer „fallen“ in den Ort ein und nehmen sämtliche Tavernenplätze in Beschlag.

Foto Nun klingelt die Kasse bis zum späten Nachmittag wenn alle Schiffe abgelegt haben und wieder Ruhe einkehrt. Da die Abfahrtszeiten der Schiffe von Jahr zu Jahr variieren, empfiehlt es sich, sofort nach Ankunft die Schiffskarten zu kaufen und sich nicht unbedingt auf die letzte, im Fahrplan genannte Abfahrtszeit zu verlassen. Sonst kann eine unfreiwillige Übernachtung die Folge sein.

Pauschal über eine Agentur hatte eine Gruppe von ca. 50 Personen (darunter auch Kinder und ältere Leute) am 26. Oktober 2004 die Tour gebucht und war entgegen vorheriger Ankündigung ohne Führer und trotz heranziehender, bedrohlich dunkler Regenwolken in die Schlucht geschickt worden. Knapp 90 min nach dem Einstieg mussten sie auf Anweisung eines Nationalpark-Wächters wieder umkehren.

FotoFoto Dabei war manch kritische Situationen zu meistern, als mehrere Male der sich mittlerweile in einem reißenden Gebirgsbach gewandelte Weg gequert werden musste. Erst gegen 14 Uhr erreichte die Gruppe, zum Glück ohne Verletzte und nur bis auf die Haut durchnässt, wieder den Einstieg zur Schlucht, die übrigens direkt danach für die Saison 2004 geschlossen wurde.

Nur mit Glück und viel gegenseitiger Hilfe konnte an diesem Tag Schlimmeres vermieden werden!